Bárðarbunga

von Thomas Lukasczyk

Infolge des abgeschlossenen Achsbauprojektes im Sommer 2014 befand ich mich in einem Zustand der Projektschwebe. Monatelang zuvor konnte ich meinen körperlichen und geistigen Schaffensdrang kanalisieren und kontrollieren und nicht zuletzt von dem großartigen Naturereignis, welches in Island derzeit stattfindet, recht effektiv ablenken. Nun packte mich aber wieder völlig unverhofft die vollendete Vulkan Euphorie. Dies war zu einem bestimmten Teil auch dem "Misserfolg 2010" am Eyjafjallajökull geschuldet. Die Tatsache, dass solche Vorkommnisse zeitlich begrenzt sind und innerhalb eines Menschenlebens nicht all zu oft auftreten, verleiht dem Drang nach einschlägigen Eindrücken eine zusätzliche Würze.
Die ranghohen, bekannten Foto-Island-Internetter waren sämtlich schon vor Ort gewesen und einer nach dem anderen veröffentlichte haufenweise tolle Bilder. Ich konnte deren alberne Clowngesichter auf den Aufnahmen mit der Eruption im Hintergrund einfach nicht mehr ertragen. Selbstverständlich gründet das ausschließlich auf blankem Neid, das versteht sich von selbst. Neben einigen wirklich hervorragenden Fotos gab es immer auch die Pflicht-Beweisfotos, die irgendwie an die "Schulter-an-Schulter-mit-Mickymaus" vor dem Magic-Kingdom erinnerten. Die Wind verrauschten YouTube Videos mit den Lavafontänen sprudelten nur so im Netz. Wie auch immer verschafften sich diese High-Performer Zugang zu dem an sich gesperrten Gebiet, in das noch nicht einmal die Einheimischen selbst durften. Aber ich bin weder Journalist, Fotograf noch Wissenschaftler und Verbindungen nach Island, die hier vorteilhaft wären, unterhalte ich leider auch nicht. Als südhessischer Sitzpinkelspetzel ohne Vitamin B  fand ich mich in dieser Angelegenheit am unteren Ende der Nahrungskette wieder. Der Weg aus einer spießbürgerlichen Umgebung an die spektakulären Ecken dieser Erde ist eben weiter und steiniger als der von Vollprofis.
Das spornte mich aber an, und im Kopf reiften nun mehrere Szenarien. Der Ausbruch befand sich in der Holuhraun-Ebene, die ich schon aus mehreren Islandurlauben kannte. Auf vielen Internetseiten wurde vor der Schwefeldioxid-Emission gewarnt, die der Auswurf mit sich brachte. Wenn da eine Senke voll läuft und der Wind das giftige Gas nicht ausreichend verweht, bekommt man ein Problem. Ich habe das in Chile mal erlebt und erinnere mich mit Schaudern an die Atemnot, die von dem Gas ausgeht. Auf dem Gipfel des Villarrica ging damals ganz ordentlich der Wind und trotz striktem Verbleib in der Luv-Zone reichte die Luftbewegung zeitweise nicht aus, um die giftigen und ätzenden Gase vollständig fort zu blasen. Dem könnte man immerhin mit geeignetem Atemschutz begegnen, die Verbotszone jedoch verblieb und damit auch die Unerreichbarkeit.
Eines Tages erschien im Netz eine völlig abgefahrene Satelliten-Infrarotaufnahme, die das ganze Ausmaß des Lava-Flusses eindrucksvoll zeigte. Da wusste ich, dass ich nicht an einer vor Hitze flimmernden und knisternden Lava-Moräne stehen wollte, nur um weit im Hintergrund den Ausbruch toben zu sehen. Selbst die aktuellen Langzeitfotos der CCD-Götter zeigten kaum glühende und brodelnde Suppe und das war es, worum es mir vornehmlich ging. Dieser Ausbruch hatte etwas an Intensität verloren und wollte von oben gesehen werden. Ich möchte aber gucken wie der ganze glühende Kram aus der Erde sprudelt und bis zum Horizont läuft. Ich wollte die Fläche überblicken, die von erkaltender Masse überdeckt wurde. Ich wollte das gesamte Ausmaß des jüngsten aller Erdböden von vorne bis hinten bestaunen. Das waren inzwischen einige Quadratkilometer und die Relation zu dieser riesigen Hochebene fixte mich an. Leider gibt es in der Gegend keine geeignete natürliche Erhebung, die nahe genug am Ort des Geschehens liegt, um eine entsprechende Perspektive zu erhalten. So bleibt  nur das Flugzeug, selbst wenn man dann auf die Gerüche, die Geräusche, die Erdbeben und damit auch auf einen gewissen Teil der Atmosphäre verzichten muss.
Bei den üblichen Verdächtigen wurden natürlich haufenweise Flüge angeboten und die betreffenden, einheimischen Veranstalter rührten gehörig die Werbetrommel. Davon lies ich mich aber nicht verarschen, denn die angeblich tägliche Folge von Flügen ins isländische Hochland können die Anbieter niemals einhalten. Dafür liegen die wettertechnischen Voraussetzungen schlicht nicht oft genug vor. Mich würde es wundern, wenn da 1/4 aller Termine zustande kommt. Da kann man auch eine Woche investieren, am Terminal ausharren und es findet kein einziger Flug ins Hochland statt, weil die Sicht nicht ausreicht, die Wolkendecke aufliegt oder der Wind zu stark ist. Die Flugplätze liegen allesamt an der Küste und der Ausbruch befindet sich mitten im Hochland. Die Wetterlagen, die bei diesen Verhältnissen und bei den Temperaturen im November in Island einen VFR-Flug (nach Sicht) ermöglichen, sind äußerst selten. Bei dem Holuhraun-Feld handelt es sich um ein hoch gelegenes Plateau im Zentrum der Insel. Der Ausbruch liegt wettertechnisch in unmittelbarer Nähe des Gletschers Vatnajökull. In Anbetracht aller gegebenen Unbekannten bedarf es einer ausgeprägten Zwischenhochwetterlage mit vorherrschender Südwestströmung, um überhaupt die Chance auf gutes Wetter zu haben. Andere geeignete Wetterlagen sind selbstverständlich auch denkbar, aber weitaus weniger wahrscheinlich. Dazu werden die Tage merklich kürzer, was das Operativfenster der Luftfahrzeuge zusätzlich einschränkt. Im Prinzip verbleiben drei Möglichkeiten, den Vulkan zu erreichen, nämlich der Heli, die einmotorige Propellermaschine von diversen Startplätzen, oder das etwas größere Flugzeug aus Reykjavik. Als leidenschaftlich Kunstflieger ist meine Zuneigung gegenüber den Rotor-Kaffeemühlen (Hubschrauber) aber beschränkt. Außerdem tun sich Helikopter recht schwer, schneller als 100 Knoten zu fliegen und verfügen im Vergleich zu Flächenfliegern nur über eine geringe Reichweite. Folglich dauert die rund 250 km lange Reise von Reykjavik zum Bárðarbunga relativ lange und mich würde es nicht wundern, wenn die Hubschrauber sogar zum Tanken zwischenlanden müssen. Das Problem mit allen alternativen Flughäfen und Landeplätzen ist nach wie vor die Notwendigkeit eines guten Wetters sowohl am Vulkan als auch am Startplatz. Mein Luftfahrt-Hintergrund sprach unter dem Strich der zweimotorigen Jetstream aus Reykjavik das höchste Blatt in diesem metrologischen Pokerspiel zu. Die packt 200 Knoten und kann auch bei Mistwetter starten. Dieses schnelle und robuste Turboprop-Flugzeug braucht nur gute Sichtverhältnisse am Ort des Geschehens selbst, und kann die zur Verfügung stehende Tageszeit aufgrund Ihrer hohen Geschwindigkeit maximal nutzen. Bei Vereisungsbedingungen kann sie geschlossene Wolkendecken durchbrechen und Teile des Fluges IFR (nach Instrumenten) ausführen. Nichtsdestotrotz bleibt Planungssicherheit eine Illusion.
Damit mutiert dieses Unternehmen für Typen wie mich zu einem ausgewachsenen Glücksspiel, wobei obendrein noch die Anreise nach Island selbst zu bewerkstelligen ist. Ich beschloss einen Trumpf mit ins Spiel zu werfen, nämlich spontan zu sein. Sollte sich eine für mich brauchbare Wetterlage abzeichnen, fliege ich sofort am nächsten Tag. Mit meinen Arbeitgeber besprach ich meine Pläne im Voraus und einigermaßen erwartungsgemäß reagierte auch mein Chef mit einem gewissen Wohlwollen. Auch Ulli versprach mir, bei Bedarf den Hausbetrieb und das Finchen trotz Vollzeitjob für ein paar Tage alleine zu schmeißen. All dies ist wertvoller als jede noch so ausgedehnte Wartezeit auf der Insel.
Das tägliche Abrufen der entsprechenden Wetterseiten, was ich nun seit nunmehr sechs Wochen betrieb, verkam sogar schon zur Routine. Dieser Oktober 2014 hatte es aber auch wirklich in sich und eine taugliche Wettersituation wollte und wollte sich einfach nicht abzeichnen. "Was ist, wenn das Ding wieder aufhört zu spucken?", bangte ich schon. Ein kurzfristiger Autokauf und diverse Umschreibungen und Gutachten für den Ullimog lenkten in heilender Manier von meiner steten Ungeduld ab. Ich beackerte an jenem Freitag gerade die hierzu notwendigen Formalitäten, da zeichnete sich überraschend auf der im Hintergrund laufenden Webseite des isländischen metrologischen Institutes meine Wunschwetterlage für den kommenden Dienstag ab. "Gaaanz ruhig", ermahnte ich mich. "Das ist noch lange hin und für eine hohe Wahrscheinlichkeit noch viel zu früh." Mein Herz schlug jedoch bis zum Hals, und ich wünschte mir einen Irrtum zu meinen Ungunsten. Mit Nachdruck ignorierte ich die gewonnenen Erkenntnisse, gerade weil ich am kommenden Tag die neue Karre abholen sollte und auch sonst einen vollen Terminkalender hatte. An jenem Samstag erhaschte ich während Fines Mittagsschlaf ein paar Minuten Ruhe. Ulli befand sich, wie immer am Sonnabend, auf Ihrem Nachmittagsausritt. Ganz gespannt rief ich die einschlägige Wetterseite auf. Der zweifelsfrei künftig vorliegende Hochdruckeinfluss aus Grönland hatte sich sogar noch deutlicher entwickelt. Genau zur besten Tageslichtzeit würde sich die schmale, vermutlich wolkenfreie Zone über dem zentralen Hochland befinden. Der kommende Dienstag versprach einfach, der Tag des Herren zu werden und mit einem Kloß im Hals realisierte ich die inzwischen vorliegende Unmöglichkeit, von den Reiseanbietern rechtzeitig eine Bestätigung zu erhalten. Aber die Webseite, die 2 Vorlauftage zur Buchung auswies, lies auch Anmeldungen an Wochenenden zu . Ein Umstand, auf den ich mich berufen könnte. Einen Flug nach Island selbst zu buchen ist kurzfristig gar kein Problem.
Wie in solchen Pattsituationen üblich, wartete ich auf Ulli, um mit Ihr die folgenden Tage zu besprechen.
"Du, in Island gibt es am Dienstag endlich das Hammerwetter, auf das ich schon so lange warte. Ich könnte morgen rüber fliegen. Das Dumme ist nur, die Agentur hat fürs Wochenende schon zu und ich bekomme vorher keine Bestätigung mehr" überfiel ich Ulli im Hausflur.
"Ach die kriegen das schon hin. Du weißt doch, Isländer sind da anders drauf. Du wirst sehen, das klappt schon" antwortete sie knapp und zog sich die Reitstiefel aus. "Buch einfach, ich kriege das hier schon auf die Reihe", sagte sie noch grinsend.
Eine Viertelstunde später hatte ich den Vulkanflug bezahlt, einen Icelandair-Flug für Sonntag bis Mittwoch gebucht und die Jugendherberge neben dem Schwimmbad organisiert. Kurz darauf stand der gepackte, große Militärrucksack im Hausflur. Der Plan war, am Montag früh beim Reiseanbieter Nordic-Visitor aufzuschlagen und womöglich eine zweite, frühere Chance auf den Sightseeing-Flug zu erhalten. Hauptsächlich gedachte ich jedoch, meine Reservierung für Dienstag schnellstmöglich zu bestätigen. In der zwangsläufig anfallenden Wartezeit werde ich mich im nahen Schwimmbad durchweichen, bedampfen und vollständig zerlaugen lassen. Dieser kleine, nun organisierte und beschlossene Ausbruch aus dem geregelten Alltag bereitete mir eine wohlige Vorfreude.

2.11.2014

Ulli fuhr mich um Mittag rasch nach Frankfurt. Auf der Autobahn erklärten wir unserer Tochter, wo der "Papa" nun hinfliegen würde. Sie nahm es geduldig auf und bat um eine "Überraschung" als Geschenk, wenn ich am Mittwoch zurückkehren sollte. Am Gate drückte ich noch meine Mädchen ganz fest zum Abschied, und wie durch einen Vorhang entglitt ich meiner Welt und tauchte in ein neues, eigenes Abenteuer. Diesmal war ich allerdings ganz alleine. An sich bereitete mir jener Gedanke an die bevorstehenden Einsamkeit keine Schwierigkeiten, gleichwohl meine letzte "derartige" Reise schon eine Weile her war. Vermissen werde ich die beiden aber schon, und rein emotional half ich mir mit der nun beginnenden Freude auf ein baldiges Wiedersehen. Für die vollendete Ablenkung sorgte die frisch erstandene Reiselektüre in Form des neuen Buches "Der Fluch der Bösen Tat" von Peter Scholl-Latour. Das entpuppte sich als hervorragendes Buch von einem hervorragenden Autor.
Die gut drei Stunden bis Island vergingen beinahe wie im Flug, ähh ja. Das Terminal kam mir vom letzten Mal noch bekannt vor. Also zog ich Bargeld an dem bekannten Geldautomat neben der Gepäckausgabe und war ruck zuck auf dem Weg nach draußen. Ein Zollbeamter in Zivil winkte mich zu sich und bedeutete mir mit einer Geste, ihm in sein Büro zu folgen.
"Can I see your Passport, please", fragte er höflich und lächelnd. Ich reichte ihm meinen Personalausweis, den er kurz überflog, einsteckte und mich sogleich aufforderte: "Please open your backpack and put everything on the table." Was soll denn das nun, dachte ich. Egal, schließlich habe ich gar nichts zu verbergen.
"What is the purpose of your journey?" fragte er. "The vulcano", antworte ich wahrheitsgemäß. "How long are you going to stay?" fragte er weiter. Ich antwortete: "three days". Er glaubte mir nicht und stellte allerhand Fragen nach meinem Broterwerb, meinen vorherigen Reisezielen, meiner Familiensituation, meiner Ausbildung und meinem Wohnort. Ich erkannte aber das Muster dieser Befragung und stellte etwas belustigt fest, dass er nach einigen Minuten immer wieder die entsprechenden Fragen mit anderen Worten wiederholte. Dabei handelt es sich um eine in diesen Kreisen gängige Methode. Das ist jedoch wirkungslos, wenn man schlicht und einfach die Wahrheit sagt. Um auf die Verdächtigung mit einer angemessenen Gegenpeinlichkeit zu reagieren, versicherte ich dem Beamten: "I am telling the truth, I always do." Er reagierte nicht, sondern holte einen Kollegen und nun starrten mich beide ungläubig an. "Do you have a receipt from your travel-agency?" meinte der neue Beamte. Mist, damit haben die mich am Wickel, denn das hatte ich ja gerade nicht. Als ich Ihnen den Sachverhalt mit der Risikobuchung und der so ausgebliebenen Bestätigung schilderte, meinten sie, ich wollte sie auf den Arm nehmen. "Do you have a confirmation of your hotel?" erkundigten sie sich. Natürlich hatte ich keine, denn mir reichte am Vortag die telefonische Zusage der Jugendherberge.
Fortan war Schluss mit Lustig und meine Glaubwürdigkeit befand sich endgültig beim Teufel.
"I just have the online-receipt of my credit-card, that has already been charged", versuchte ich mich zu rechtfertigen. "You may call them."
"Call them on Sunday?" feixte der Beamte mit zugekniffenen Augen. "Well, call the youth hostel then", versuchte ich es erneut. "I'm not calling anybody", machte er seinen Standpunkt klar.
"Let me show you the online receipt of my credit-card", schlug ich vor. "Go ahead, you can use my computer", meinte er und verwies auf seinen Schreibtisch. Also hockte ich mich an den Rechner der Zollstation, loggte mich ein und zeigte dem Mann die Bestätigung der Kontobewegung per E-mail. Er winkte seinen Kollegen herbei und nun berieten sie sich auf isländisch. Wieder stellten sie mir die entsprechenden Fragen. Aber ich würde diese Aktion mit Höflichkeit, Geduld und Wahrheit aussitzen und antwortete stets freundlich. Ganz plötzlich war der "Spuk" vorbei, ich erhielt meinen Ausweis zurück und sollte meine Sachen wieder einräumen. Ich wurde verabschiedet und stand unmittelbar danach in der vom Wind gepeitschten Dunkelheit vor der Tür. Na das fängt ja gut an, dachte ich mir. Warum haben die eigentlich meine Hackfresse auf dem Kieker? War es der Militärrucksack, vielleicht der kurze Haarschnitt eines Alleinreisenden? Ich kaufte ein Busticket für den berühmten und höchst praktischen Hotelbringdienst und stellte mich zum Rauchen an den Aschenbecher, an dem auch viele andere ihre Postflugzigarette genossen. "Do I have time for this?" fragte ich den Busfahrer, der wohl im Begriff war aufzubrechen. "Ahh, I can see you from there and I will not leave without you", winkte er ab und steckte sich ebenfalls eine an.
Meine Laune erhielt einen positiven Gradienten.
Reykjavik befand sich offensichtlich in einem Bauboom. Große Gebäude schossen überall aus dem Boden und die Baukräne prägten das Stadtbild. Alles blinkte und glitzerte und der Busfahrer hatte an der Uferpromenade einige Mühe den Bus in der Spur zu halten, da der Wind ordentlich von der Seite pfiff. "It is 60 km/h of wind today", kommentierte er seine Lenkradbewegungen. "If it's more than 85 km/h, we are not allowed to drive any more", sagte er. "Last week, it was 130 km/h and it flipped a bus." Ich war mittlerweile der einzige Fahrgast und plauderte entspannt mit ihm über die Baustellen und seinen bevorstehenden Feierabend. Er lieferte mich bei meiner Unterkunft ab und verabschiedete sich herzlich.
Wenig später schlenderte ich mit hochgezogenen Schultern und dick vermummt in Richtung Downtown. Vor einem Restaurant spielten ein paar einheimische Kinder mit dem Wind, der sich hier kanalisierte. Die Eltern saßen im Inneren hinter der großen Scheibe und beobachteten ihren lauthals plärrenden Nachwuchs. Einer der Buben lehnte sich mit ausgestreckten Armen in den 3°C kalten Sturm und prahlte mit seiner Schräglage. Er trug nur ein dünnes, heftig in der Strömung flatterndes T-Shirt. Seine Schwester trug immerhin ein langes Oberteil, was aber ebenfalls ultradünn war. Die sind echt anders drauf hier oben und auch das Wort "Weichei" kam mir angesichts meines Softshells, meiner Mütze und meines Pullis in den Sinn. Demonstrativ ließ ich meine Schultern hängen, um sie hinter der nächsten Hausecke frierend wieder anzuheben. Wenn die isländischen Mamas ihren Kindern in dem fortschreitenden Winter irgendwann doch mal Mützen aufziehen, liegen die Strassen in Reykjavik vermutlich voller erfrorener Touristen. Der Pathologe, der die hohe Anzahl von Leichen nicht gewohnt ist, würde kopfschüttelnd auf einen Haufen hochmoderner, überteuerter, knallbunter und praktisch ungetragener Kunstfaser-Hightech-Klamotten blicken, die in dem grün gekachelten Raum beinahe bis an die Decke reichen...
Die Ankunft am Dubliner riss mich aus meinen finsteren Gedanken, die ich mit zwei schnellen Guinness aus dem Fass herunterspülte. Exzellente Brühe das, aber hallo.
Neben mir am Tresen sitzt "Steve" aus Kanada, ein heiterer Geselle, zu dem ich irgendwie einen Draht habe. Er ist begeisterter Taucher und war heute in der Silfra-Spalte "scuba-diving", Er schwärmte ausgiebig von seinem Erlebnis. Ich erzählte auch von meinen Plänen und bei weiteren Guinness verlief der Abend feuchtfröhlich und kurzweilig. Wir hatten schon ordentlich einen sitzen, da riss uns der Barmann, ein Student aus England, angesichts unserer leeren Gläser aus dem Gespräch. "What do my american friends want to drink?" lallte der heftig angetrunkene Brite.
"American?" wiederholten Steve und ich gleichzeitig und schauten zuerst uns und dann den Barkeeper fragend und auch etwas vorwurfsvoll an.
"This guy is from Germany", klärte mein Kollege den Engländer auf und zeigte dabei mit mit dem Daumen auf mich.
"And this guy is from Canada", verteidigte ich Steve. Daraufhin hielt dieser seine Jacke hoch, auf dem selbstverständlich das "Maple-Leaf" prangte, welches die Kanadier gerne tragen, um einer Verwechslung mit ihren Nachbarn vorzubeugen.
"Oh, I am exceedingly sorry, ladies", lallte der schlaksige Kerl und stützte sich mühsam auf seine Arme. "Since my reputation is ruined forever, I will tell you a funny joke", brachte er blubbernd hervor. "I don't care what kind of a joke he is telling", sagte Steve leise und mir zu gewandt. "He already is the most hilarious bartender I have ever met." "Look at him, he is completely fucked up." "I think that's so funny",grinste er kopfschüttelnd.
Schwerfällig begann der Austauschstudent: "A bloke from Iceland impregnates a girl from Havanna". "What are they going to have?" fragte er in die Runde.
"An Icecube", prustete er schließlich.
Steve und ich schauten uns mit dämlichen Gesichtern an und verzogen ein wenig belustigt die Mundwinkel.
"You are not laughing, because you don't have any sense of humor", meinte der Brite trotzig und zeigte dabei auf mich. "Now you are telling the next joke, jerry boy", forderte er mich auf.
"Sure there is no such thing like german humor, but here it comes anyway", antworte ich. 
Die beiden starrten mich erwartungsvoll an, der Brite etwas glasiger als der Kanadier.
"A man walks into a butcher shop and goes:"I'll have one pound of  white pudding, but of the super-rough and extremely fat one, please."
"The butcher goes:"I am sorry sir but she has got her day-off today."
Der Engländer klopfte mit der Hand lachend auf den Tresen und fiel sogleich hinter die Bar. Steve krümmte sich ebenfalls bebend, aber vermutlich wegen der Reaktion des Briten.
Der Student war offensichtlich außer Stande, seine Arbeit weiter zu verrichten und wurde sogleich von seiner blonden Chefin abgelöst. Wir plauderten zu dritt noch bis weit nach Mitternacht und feierten den geselligen Abend ausgiebig. Schließlich war es Zeit zu gehen und wir verabschieden uns voneinander.
"That's seven Guinness for me", wollte ich meine Zeche begleichen.
"No, you are paying five, so you don't tell anybody beer is expensive in iceland", verabschiedete mich die Frau zwinkernd. Nun ja, das lässt sich machen, besten Dank auch, Frau Ober.
Mit entsprechender Schlagseite trat ich vor die Tür und konnte mich irgendwie gar nicht an den Heimweg erinnern. Ich verpeilter Tresentrottel, da saufe ich mir derart einen an, dass ich den Rückweg nicht mehr finde. Ich werde nächstes Jahr die 40 Lenze knacken und so etwas ist doch im besten Falle pubertär. Ein wenig belustigt über diese peinliche Situation bemerkte ich ein Taxi, welches in der Nähe wartete. Kurzerhand öffnete ich die Tür und wand mich dem Fahrer zu."To the youth hostel please, I do not remember the way back", sprach ich ihn an. "I do remember the way", vermeldete der Fahrer, winkte mich herein und wir fuhren los.
Völlig geschafft fiel ich auf die Pritsche und schlief auf der Stelle ein.

3.11.2014

Mit überraschend geringen Kopfschmerzen genoss ich das ansehnliche Frühstücksbuffet der Herberge. Die vier Tassen Kaffee und der lange Fußmarsch in die Stadt werden die letzten chemischen Andenken vom Vorabend schon aus meinem System treiben, hoffte ich. Tatsächlich kam ich mit roten Bäckchen und herrlich durchgelüftet um 8:45 im Büro der Agentur an. Der Empfang war noch nicht besetzt und ich ließ mich zunächst im Foyer auf einer Couch nieder. Die Angestellten, die in dem Gebäude arbeiteten, kamen in aller Morgenfrische das Treppenhaus hinauf gestiefelt. Eine durchaus unterhaltsame und interessante Szenerie. Schließlich kam eine junge Dame die Treppe hoch, stellte ihre Tasche ab, und begrüßte mich freundlich. Sie war wohl im Begriff, ihren Arbeitstag bei Nordic-Visitor anzutreten.
"What can I do for you?" fragte sie mich lächelnd.
"Well, I guess I am early and I do not mean to push you" antwortete ich. "You will not be open until nine, so take your time, please", fügte ich hinzu. Isländer sind in der Regel entspannt und da wollte ich einfach nicht die Welle machen, schon gar nicht früh am Morgen.
"That is OK, so what's up?" Wollte sie dann doch wissen. Ich erklärte Ihr die Sache mit meiner Buchung vom Samstag und fragte nach der Möglichkeit, heute schon einen Sightseeing-Flug wahrzunehmen. Sie checkte Ihr System und begann sogleich zu telefonieren. Schon eine Minute später erhielt ich folgende Antwort:
"Thomas, you may fly either today or tomorrow. Just tell the people at the Terminal you booked with us and I will sort out everything else. Have a nice flight and good luck with the weather".
Das nenne ich Kundenservice und isländische Organisationsgenialität. Zehn Minuten vor der eigentlichen Öffnungszeit des Unternehmens befand ich mich freundlichst und höchst zuvorkommend bedient wieder auf der Straße und hielt ein entsprechendes Bestätigungsschreiben in der Hand. Zehn von Zehn und beide Daumen hoch für Nordic-Visitor, würde ich sagen. Somit hatten sich auch einige der organisatorischen Bedenken in Luft aufgelöst. Mit allerbester Laune spazierte ich in herrlichem Herbstsonnenschein über das Perlan hinunter zu dem kleinen Terminal des Stadtflughafens in Reykjavik.
Eine beachtliche Menschenmenge säumte den verglasten Vorraum von "Eagle-Air". Die Anwesenden waren ausnahmslos potentielle Passagiere des bevorstehenden Fluges zum Vulkan. Die Maschine war voll ausgebucht und unter uns herrschte Euphorie und nervöse Erwartung in einem zündfähigen Verhältnis. Kurzerhand sprach ich ein Paar aus Österreich an, dass ebenfalls an einem der kleinen runden Tischchen saß und angespannt Däumchen drehte. Leider setzte sogleich das unter Islandreisenden übliche Festlegen der Rangordnung ein. Der erste Besuch auf der Insel, die Verbindungen zu Einheimischen oder sogar Sprachkenntnisse liegen dabei etwas höher im Kurs als die bereits besuchten Ziele oder die Anzahl der Islandaufenthalte. Mit 1987 konnte ich natürlich nicht mithalten und als ich bei der Diskussion über die Entfernung zum Holuhraun-Feld die Angabe in Kilometer mit der in Seemeilen verwechselte und mich bei der Höhenangabe des Flugplatzes in Egilstaðir ebenfalls verschätzte, war ich endgültig als "Unqualifizierter" entlarvt. Also gab ich damit an, schon zu Fuß im Holuhraun gestanden zu haben, was aber wirkungslos verrauchte und an meiner schlechten Positionierung nicht mehr rütteln konnte.
Als endlich die zwei adrett gekleideten, jungen Piloten in das Gebäude traten, ging ein Raunen durch die Menge und es tat sich eine Gasse auf. Sie verschwanden eilig in einem kleinen Nebenraum.
Jetzt entscheidet es sich, ob wir fliegen oder nicht. Die machen nämlich jetzt ihr Briefing, mutmaßte ich.
Für die schlechte Nachricht schickte die Flightcrew allerdings das Mädel am Empfang in die Runde: "The flight has been canceled due to the bad weather-conditions at the site", vermeldete sie bedauernd. "There is no visibility and heavy snowfall at the vulcano, and we are very sorry", ergänzte sie noch mit beiden Handflächen nach oben weisend.
"So ein Pech aber auch, wir fliegen morgen heim", jammerten meine neue Bekannten. Auch mich überfiel angesichts dieser verflossenen Chance ein ungutes Gefühl. Aber ich hatte mein Ass schließlich noch im Ärmel, da mein eigentlicher Flug erst morgen stattfinden würde. Nüchtern bilanziert verlief bislang auch alles nach Plan. Warum sollte ich also enttäuscht sein, wenn ich noch einen Schuss im Rohr habe, den ich ohnehin erst morgen abzugeben gedachte? Mit diesen Gedanken beruhigte ich mich auf dem Spaziergang im strahlenden Sonnenschein in die Stadt hinein. Dieses Wetter brauche ich in 24 Stunden, etwa 250 km nordöstlich von hier, dachte ich, regelmäßig in den Himmel blickend. Die Windrichtung und die Windgeschwindigkeit passten ganz genau und deckten sich exakt mit meiner Prognose und Recherche. Den Reiseplänen folgend, kaufte ich meine Mitbringsel und schlenderte anschließend in das Schwimmbad.
Es war bereits dunkle Nacht, als ich den Eingang des Freibades erreichte. Die Außentemperatur betrug -1°C, was meine barfüssigen Schritte durch die Kälte zu einem der vielen Hot-Tubs gehörig beschleunigte. Hier war einiges los und die zumeist einheimischen Badegäste genossen das reichhaltige Angebot an Bademöglichkeiten. Das rund 30°C warme Wasser hüllte die ganze Anstalt in dicke Nebelschwaden, die auch die rote Neonbeleuchtung am Beckenrand nicht durchdringen konnte. Selbst die eingeschaltete Flutlichtanlage an der Betondecke der Tribüne erleuchtete die Umgebung nur unzureichend. Wie mehrere Sonnen waren die starken Scheinwerfer schemenhaft durch den dicken Dampf auszumachen. Ganz Reykjavik badete folglich im Dunkeln, wobei es eigentlich zuging wie bei uns. Es gab die zehnjährigen Buben, die sich Bälle zuwarfen. Es gab die rüstigen Rentner, die fleißig ihren Kilometer schwammen. Es gab die kleinen Kinder in den seichten Planschbecken und es gab ambitionierte Schwimmer, die beachtliche Geschwindigkeiten in den perfekt abgesperrten Bahnen erreichten. Das Ganze wirkte auf mich völlig surreal und für eine gewohnte Schwimmbad Atmosphäre fehlte einfach das Tageslicht, der Sonnenbrand, die Liegewiese, die Pommesbude und dieser feine Geruch von Chlor, Frittierfett und Sonnenmilch. Hier roch es bestenfalls etwas nach Schwefel, aber es hatte was.
Nach einer anständigen Aufwärmphase in einem der heißen runden Pools schlenderte ich dampfend durch den Nebel am Rand des großen Schwimmbeckens entlang.
Plötzlich tauchte mit tapsigen Schritten ein kleines Mädchen von vielleicht drei Jahren hinter mir aus dem Nebel auf. Ihre Schwimmflügelchen ließen ihre Arme abstehen und sie watschelte breitbeinig, als ob sie erst kürzlich noch mit Windel hatte laufen musste. Sie erinnerte mich vollends an meine eigene Tochter und sogleich verschwand sie "taps, taps, taps" wieder vor mir im stockdunklen Nebel. Ungläubig rieb ich meine Augen und schüttelte irritiert den Kopf. Die Kleine war offensichtlich auf dem Weg zu der großen, langen Rutsche, deren beleuchteter Treppenturm schwach in einiger Entfernung durch die Schwaden herüber schien. Als ich das dazu gehörige Becken erreichte, kam sie gerade aus der Röhre geflutscht und landete mit ausgebreiteten Armen in dem ebenfalls stockdunklen Becken. Das wollte ich mir auch nicht entgehen lassen und erklomm die eiskalten Stahl-Treppenstufen der Attraktion. Am Einlass der Rutsche schmerzten meine Füße vor Kälte und ich fühlte mich im Vergleich zu der Dreijährigen wie eine Mimose. "Mann, Du jammerst hier über kalte Füße, und die Kleine freut sich schon den ganzen Tag im Kindergarten darauf" sagte ich in das Rauschen der Bewässerung zu mir selbst. Die Ampel über der Rutsche schaltete mehrfach von Rot auf Grün, aber irgendwie wagte ich es nicht, mich in dieses sackfinstere Sprudelloch zu werfen. Auch draußen war nichts zu erkennen, und ob das Rohr nach unten in das Becken oder einfach in die Kanalisation führte, blieb schlicht in Nacht und Nebel verborgen. "Jetzt stell dich wegen so einem Kinderkram nicht so an", ermahnte ich mich und wagte es erst zu rutschen, als ich die kleinen bekannten Tapsen wieder unten auf der Treppe vernahm. Am Ende erzählt die im Kindergarten morgen, dass sich ein frierender Deutscher vor der Rutsche im Laug gefürchtet hat.
Während der Rutschpartie herrschte die totale Finsternis. Es war nicht ansatzweise die Hand vor Augen zu erkennen. Man spürte die Bewegung, man spürte das rauschende Wasser und etwa nach der Hälfte gab es für einige Meter beleuchtete Ringe in der Außenkontur, die zumindest für wenige Sekunden Schummerlicht machten. Erst als die Röhre einen ausspuckte, herrschte wieder das bekannte neblige Zwielicht. Ich fand das so cool, dass ich mir die Dunkelflutsche mehrmals gab. So ähnlich muss sich ein verschluckter Kirschkern fühlen.
Bestens gelaunt und ordentlich weich gebadet betrat ich den Umkleideraum, holte mein Handtuch aus dem Spind und duschte mich ab. Es herrschte ein richtiges Gedränge und so verlies ich den Nassbereich, um mich am Spind abzutrocknen. Da sprang der Bademeister, der hier ein Art Wachstuhl hatte, auf und motzte mich auf isländisch an. Ich hielt inne und wandte mich dem Mann zu. Er wiederholte seine Worte, die ich auch dieses Mal nicht verstand. Daher stammelte ich ein vorsichtiges: "I beg your pardon?"
Seine Miene verdunkelte sich darauf merklich (aha, auch noch ein Ausländer) und er schimpfte: "You need to dry youself before entering the locker area."
"I did not know that", versuchte ich mich zu verteidigen. "Read the sign", meinte der Mann und zeigte auf den Fußboden, wo sich tatsächlich ein mehrsprachiges Schild mit der Aufschrift "Please dry yourself" befand. Ich bin aber auch echt ein verblödeter Warmbadeaugust, klar dass der sauer ist.
"You need to read the signs in an islandic swimming pool", fügte der Bademeister genervt hinzu.
Ich gedachte mich höflich und aufrichtig bei dem Mann zu entschuldigen, schaute ihm in die Augen und sagte: "I am very sorry about this."
"Ahh, it's OK" meinte er schließlich abwinkend und lächelte wieder. Er wischte geduldig meine Fußabdrücke auf und ich schämte mich dafür. Isländische Gelassenheit und Schicksalsfügung trifft auf deutsche Ignoranz und Dummheit. So umschrieb ich für mich die Situation. Strafe muss sein und daher verhängte ich mir selbst für den Rest des Abends striktes Alkoholverbot.

4.11.2014

Noch im Schlafsack liegend rief ich die bekannten Wetterseiten auf meinem Smartphone auf. Mensch, habe ich ganz in der Nähe nicht schon einmal über die Jugend mit ihren Digi-Gadgets gelästert? Ja, das war 2011 auf der Tour mit Tobias. Jetzt machte ich selber damit rum, wenngleich sich das auf Nachhausetelefonieren und Wetterprüfen beschränkte. Das Wetter im Hochland sah immer noch gut aus und hatte sich wie erhofft entwickelt. In Reykjavik und vor dem Fenster herrschte wieder eine geschlossene Wolkendecke, aus der es zeitweise sogar heftig regnete. Nach dem Frühstück überbrückte ich die Zeit in der Lounge der Herberge mit ein paar Kapiteln aus meinem neuen Buch. Gegen 11 Uhr brach ich bei leichtem Nieselregen wieder zu Fuß in Richtung Flughafen auf. Die Maschine zum Holuhraun-Feld sollte planmäßig gegen 13:30 starten. "Scheiß auf das Wetter hier, am Vulkan muss es gut sein", hämmerte ich mir mehrfach ein. Während des langen Spazierganges wurde ich gehörig nass geregnet.
"Any good news about the weather?" fragte ich das Mädchen am Schalter. "It looks OK but we will have to wait for the pilots", sagte sie. Ich nahm vor dem großen Fenster Platz und bediente mich an der Kaffeebar. Außer mir war noch kein Passagier zu sehen, was mich richtig wunderte. Schließlich erschien "Bertrand", ein netter Franzose, der ebenfalls am Vortrag schon anwesend war und offensichtlich auch eine zweite Chance wollte. Wir unterhielten uns an einem der kleinen, runden Tischchen sitzend. Inzwischen hatte sich ein Pärchen aus Tschechien, zwei Amerikanerinnen und ein weiterer junger Amerikaner eingefunden. Nur Bertrand und ich hatten Kameras dabei, alle anderen verließen sich auf ihre Smartphones. Wir machten uns ernsthaft Sorgen, dass aufgrund der geringen Besetzung der Maschine der Flug überhaupt nicht zustande kommen würde. Am Ende sagen die alles ab, nur weil sie die Kosten nicht decken können, fürchteten wir.
"Only 7 passengers for 18 seats", teilte ich Bertrand den Zählerstand der Passagierliste mit, die offen auf dem Tisch auslag. Er machte eine zweifelnde Geste und meinte: "Let's hope for the best." "I really want to see the eruption", sagte er nachdrücklich. Ich nickte nur: "Me too."
In diesen Augenblick der allgemeinen Unentspanntheit platzten die Fluggäste aus einem anderen Flug herein, der soeben gelandet war. Schwer beschuht und beladen mit allerlei Ausrüstungsgegenständen betraten ungefähr sechs Personen den kleinen Empfangsraum. Von unseren Tischen aus musterten wir die Gruppe neugierig. Offensichtlich handelte es sich um Geologen oder Fotografen oder beides. Es waren durchweg junge Leute und sie alle rochen nach Uni und nach Bardarbunga. Um die letzten Zweifel auszuräumen, legten sie demonstrativ ihre gebrauchten Atemschutzmasken ganz oben auf den Stapel aus Kisten und Stativen. Sie hätten auch laut "Ätsch, wir waren da", im Chor rufen können. Zumindest würde das in meinem Fall die selben Empfindungen hervorrufen. Wieder spielten wir Normalos die zweite Geige, wieder wurden wir "Einfachverbraucher" genötigt, uns mit Unterwürfigkeit abzufinden und wieder durften wir Dinge nicht, die andere einfach dürfen. Aber sei es drum, mein Eisen lag noch im Feuer, meine höchste Karte war noch nicht gespielt und ganz im Ernst, mich interessierte vor allem was in den nächsten Minuten mit uns passieren würde.
"Come on, we are all waiting for the good news" sprach ich die junge Dame am Schalter ungeduldig an. Die frisch eingetroffene Gruppe hatte das Gebäude inzwischen wieder verlassen. Das Mädchen reagierte überrascht und entschuldigend und ich bereute meine offensichtliche Ungeduld ihr gegenüber. "There are no bad news", antwortete sie verschmitzt. "We do have to wait for the statement of the pilots", ermahnte sie mich. Natürlich, das sollte ich eigentlich auch wissen und reumütig nahm ich wieder neben Bertrand Platz und ärgerte mich über mich selbst. Endlich erschienen die beiden Piloten und, wie ihre Vorgänger vom Montag, verschwanden die zwei jungen Kerle sogleich wieder in dem Flugvorbereitungsraum. "They are propably doing their weather-briefing right now", mutmaßte ich wieder und der Franzose nickte zustimmend. Die Luft war zum Schneiden dick und die Anspannung lies die Stimmung förmlich knistern. Bertrand kaute nervös an seinen Fingernägeln und wippte mit dem Fuß. Ich kaute auf meiner Lippe herum und eine der Amerikanerinnen rannte ständig hin und her. Die Tschechen ließen sich mit verschränkten Armen jeweils von den Fersen auf die Fußspitzen fallen. Jedes Öffnen der Tür zum Pilotenzimmer wurde mit sieben blitzschnell neu gerichteten Blicken und einem darauf folgenden siebenstimmigen, internationalen Seufzer kommentiert. "I wonder what is taking them so long", machte ich meinen Bedenken nach weiteren 20 Minuten Luft. "Maybe they are not sure", meinte Bertrand. "Are they going to fly, are we going to see the damn thing?", warf der Amerikaner ein. Die allgemeine Anspannung fing gerade an, sich negativ auf die Stimmung auszuwirken, da schallte ein kurzes: "All passenger of the Sightseeing-Flight need to go out to the plane" durch den Raum. Wie die Feuerwerksraketen schossen wir aus unseren Sitzen hoch und stürmten auf das Vorfeld. In Rekordzeit waren alle in der kleinen Jetstream verschwunden. In meiner Wehrdienstzeit war ich mal Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und da übten wir ständig das rasche Besetzten von Luftfahrtzeugen mit vielen Personen. Ich bin mir sehr sicher, an jenem Dienstag in Island waren wir schneller, auch ohne brüllenden Feldwebel.
Die Gäste machten dennoch einen entscheidenden Fehler. Sie setzten sich hinter den Flügel, um eine vermeintlich bessere Bodensicht so erhalten. Das ist jedoch ein Trugschluss, denn wenn das Flugzeug ein Ereignis am Boden umfliegt, befindet sich der Flügel aufgrund der Kurvenlage ohnehin außerhalb des relevanten Blickfeldes. Daher ist der beste Platz möglichst vorne und nahe am Cockpit. So erhält man unter Umständen den einen oder anderen Blick in Flugrichtung oder kann stets auf die dem Ereignis zugewandte Seite wechseln, da man erfährt, wie der Pilot vorbei fliegt. "Come on up front. You will have the best view from here", forderte ich Bertrand auf. Aber der blieb ungläubig in der letzten Reihe sitzen und winkte ab.
"Jawohl, ja" kommentierte, ich das Anlaufen der ersten Turbine für mich und ohne dass es jemand hören konnte. Mit dieser geringen Besetzung, Beladung und Betankung schoss unsere Nordatlantik-Frachthure über die Runway und steil durch die geschlossene Wolkendecke. Total geil, zwei mal 1000 PS bei der Arbeit. Wenn einem Ferrari bei 300 km/h die Puste ausgeht, dann kriegt so eine Turbine erst richtig Luft. Dieser Flieger war mir sofort sympathisch, weil er in dem gleichen ultramarinblau lackiert war, wie mein Eigener. Er war gebraucht, verranzt, verdallert und hatte Patina. Weil aber Luftfahrttechnik schon im Voraus "gescheit" gebaut ist, geht trotzdem nichts kaputt. Da gibt es eben keinen Plastikmüll, wie bei den Autos, der einfach wegbröselt oder zerknibbelt. In jedem einzelnen Niet steckt der Alltag, die Schwere und der Verdruss der englischen Arbeiterklasse, verewigt und eingefroren durch Kaltverformung hochwertiger Aluminiumlegierungen. Diese von Hand geschlagenen Zeugnisse ehrlicher Arbeit sind mit den toten und digital platzierten Schweißpunkten der Roboter aus der modernen Autoindustrie nicht zu vergleichen. Metallflugzeuge haben greifbaren Charme und meine Luftfahrt Euphorie tat ihr übriges. Und da waren dann auch noch diese herrlichen verchromten Spinner... schmacht.
Der Flug verlief zunächst über dicke Wolken, und der Gedanke, nun doch schlechtes Wetter vor Ort zu haben, wurde sogleich verdrängt. Endlich öffnete sich genau auf Kurs der Overcast und wir holten das gute Wetter von gestern wieder ein. Meine Einschätzung hatte also genau gestimmt und das sonore Brummen der Triebwerke wirkte wie der Trommelwirbel beim Öffnen eines Zirkusvorhangs. Dieses ganze Unternehmen baute auf genau diese Wetterlage, zu diesem Zeitpunkt und an dieser Stelle. Es hatte geklappt und ich hatte recht behalten. Der Fieg war mein, mein war der Fieg und dankbar ließ ich das grelle Sonnenlicht, welches nun von dem schneeweißen Boden reflektiert wurde, in mein Gesicht fallen. Tatsächlich ist dieser glückliche Umstand das Ergebnis eines Spiels, welches einer Pokerpartie am nächsten kommt. Dabei gilt es, das System zu verstehen, ein gewisser Einsatz ist von Nöten, und, machen wir uns nichts vor, es bleibt auch eine große Portion Glück involviert. Nichtsdestotrotz entwickelte sich gerade alles zum Besten.
Aus der grell weißen Eiswüste tauchte schließlich die Askja und der Herðubreið auf. Sie erschienen zum Greifen nahe, denn die Fernsicht war geradezu märchen- saga- fabelhaft. Solche Bedingungen herrschen nur in dünner, extrem trockener und kalter Luft, wie sie hier zweifelsfrei vorlag.
Ich stand von meinem Sitz auf und betrat das Cockpit. Damit wollte ich vor allem die Reaktion der beiden Piloten ein wenig austesten. Sie hätten mich selbstverständlich auf meinen Platz verweisen können, taten dies aber nicht. Da kommt es eben darauf an wie die drauf sind. Der Mann auf dem linken Sitz mochte vielleicht 30 Jahre alt sein. Der Co war wohl noch etwas jünger. Der Flugzeugführer bemerkte mich und nahm die rechte Muschel seines Headsets von seinem Ohr, um mich zu verstehen, falls ich beabsichtigen würde, mit ihm zu sprechen. Mit Genugtuung realisierte ich eine Reisegeschwindigkeit jenseits der 200 Knoten.
"Vulcano ahead", meinte er und wies mit der Hand direkt voraus. "Wow, that is a beautiful sight, even for you guys, isn't it?" rief ich in sein Ohr. Er nickte nur entspannt. Ohne am Leistungshebel Veränderungen vorzunehmen ging er in einen leichten Sinkflug über. Der Fahrtmesser näherte sich der dynamischen, rot-weißen VMO-Markierung. Die Wolke, die von dem Vulkan ausging, bestätigte eindeutig den Südwest. Nun war ich aber der einzige Passagier, der die gute Aussicht genoss und als Vordrängler kennt mich hier keiner. Daher winkte ich Bertrand und die anderen nach vorne. Wir wechselten uns ab und jeder bekam die Möglichkeit folgendes Foto zu machen.

 
Die Crew suchte den Luftraum nach möglichen weiteren Maschinen ab, aber außer einer einzelnen Cessna, die sehr hoch flog, war nichts zu sehen. Der Pilot ging tiefer und hielt die Geschwindigkeit am Anschlag, zweifelsfrei eine Sicherheitsmaßnahme in diesem Terrain. Ich stand wieder ganz vorne und hielt mich mit einer Hand am Schultergurtbeschlag des Piloten fest. In der freien Hand hielt ich die Kamera. Mit 220 Knoten nagelten wir auf diese Rauch-, Dampf- und Gassäule zu, die einsam alles in dieser grandiosen Eiswüste überragte. Der Pilot steuerte das Flugzeug locker mit der linken Hand. Mit der rechten Hand bediente er nur das Trimmrad. Er legte die Jetstream in einen steilen Decent-Turn mit perfekt senkrechtem Scheinlot, was es mir ermöglichte, trotz rollendem Horizont aufrecht stehen zu bleiben. Dies ist ein nicht ganz einfaches Manöver, was einiges an fliegerischem Geschick erfordert und es dem Luftfahrzeug ermöglicht, kurzzeitig steilere Querlagen zu halten, als es der Flugvektor hergeben würde. Er holte etwas aus, und wir passierten den Vulkan das erste Mal. Er vermied es natürlich, auf der Leeseite durch die Gaswolke zu fliegen. Trotzdem wurde das Flugzeug plötzlich von einem heftigen Stoß geschüttelt. Wir hatten vermutlich die Heißluftzone der Lava und die damit verbundene vertikale Thermik durchflogen. Die Piloten schauten sich umgehend und wohl ein wenig überrascht an. Ich wippte den "Bump" mit einfedernden Knien aus, wobei ich immer noch den Shoulderstrap des Kapitäns in der Hand hielt. Er stellte befriedigt fest, dass ich noch auf den Beinen stand. "Riding the the Vulcano", kommentierte ich das Geschehene. Der Steuernde lachte, nickte mir zu und schaute wieder nach vorne.

 

 
Von nun an schossen wir mit anständig Querneigung und tief auf der Luvseite der langen, dampfenden Spalte vorbei. Anschließend kletterte die Turboprop nach einer Viertelrolle in die andere Richtung steil nach oben, um Höhe für den nächsten Run zu gewinnen. Geradezu perfekt konnten wir auch die orange, wabernde Suppe im inneren der Spalte sehen. Ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Die gewaltige Aufwärtsbewegung der ausgestoßenen Masse wühlte die Oberfläche der Brühe in riesenhaften dynamischen Blasen auf, die, wenn sie im Moment der höchsten Erhebung zu verharren schienen, ein "Leopardenmuster" bekamen, um kurz darauf wieder in sich zusammenzufallen. An einigen Stellen spritzte die Lava einfach senkrecht und glühend in den Himmel und prasselte klatschend auf den Kraterrand oder einfach in den Höllenfluss selbst zurück. Das Magma floss unheimlich schnell, bildete Wirbel, Vertiefungen und ergoss sich durch einen einzigen großen Abfluss in die schier endlose, schwarze Ebene. Das Raunen und Seufzen der sieben glücklichen Zuschauer übertönte das Rauschen und Dröhnen des Flugzeugs bei weitem. Ich wollte meinen Platz in der ersten Reihe einem anderen Passagier anbieten, doch meine Reisegenossen hatte allesamt die Übelkeit gepackt. Die Amerikanerin war kreidebleich und ihre Freundin hatte die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken gelegt und kaute aufgeregt auf ihren Travel-Sickness-Kaugummis. Selbst Bertrand hielt sich den Magen und die beiden Tschechen machten dicke Backen. Ich reichte der Amerikanerin eine Plastiktüte mit den Worten: "Make sure it's ready when you need it." Sie nahm es dankbar an und hielt sich den aufgefalteten Beutel unter den Mund.
 

 
Ich hingegen geriet in einen Zustand der Totalverzückung. Hier befand ich mich, stehend in einer 220 Knoten Achterbahn, vor der mit Sicherheit spektakulärsten Kulisse auf unserem gesamten Erdball. Für mich als Kunstflieger, Naturliebhaber und Island-Fan eine nur schwer zu kontrollierende Reizüberflutung. Hier erlebte ich stehend die totale Physik einer rasanten, dreidimensionalen Bewegung, zusammen mit der intensivsten und ursprünglichsten Schöpfungsgewalt unseres Planeten, eingebettet in eine friedliche und einsame Welt aus Schnee und Eis. Diese grellen, leuchtenden, orangefarbenen Flammen inmitten der gleißend weißen und schier endlosen Wüste unter dem stahlblauen Himmel waren einfach zu viel für mich. Der Emotions-Geysir in mir brach aus und zwei dicke Tränen rollten aus den ohnehin schon feuchten Augen über meine Backen und landeten genau unter mir auf der Antirutschbeschichtung des Duralfussbodens. Ein weiteres Indiz für den vollendeten Flugstil des Isländers. Dies war mit Abstand das Abgefahrenste, was ich in meinem ganzen Leben im Zusammenhang mit Natur, Island und Fliegerei jemals erleben durfte.
 

 

 
"Ladys and Gentlemen, we will make one final pass until we head home to Reykjavik", meldete der Copilot über Lautsprecher und nach etwa 20 Minuten des Rollens und Jagens, des Brodelns und Strahlens zeigte die Nase wieder Richtung oben und Heimat. Die Gäste begannen sich zu erholen und ich verschnaufte schweißnass in meinem Sitz. Wenn sich die Crew jetzt nach meinem Wohlbefinden erkundigt hätte, würde ich ihnen vermutlich eine überraschende Antwort geben. Meine Backen hatten einen ausgewachsenen Grinsekrampf und ich stellte erleichtert fest, mich nicht auch noch eingepisst zu haben. Der Rückflug verlief ruhig, die Wolkendecke war nur wenige Kilometer von der Ausbruchstelle entfernt wieder geschlossen, und wir durchstießen sie erst wieder kurz vor der Landung. Mit dem Abstellen der Turbinen schlug den Piloten ein Jubeln, Klatschen und Trampeln entgegen, dass sie beide lächeln und dankbar nicken ließ. "Excellent flying" kommentierte ich applaudierend. Von dem Flug gibt es noch ein kurzes Video, was erscheint, wenn man auf das letzte Bild klickt.
Das nächste, an was ich mich erinnere, war das Zusammentreffen mit Bertrand, der ebenfalls schwer gezeichnet und ganz offensichtlich gerührt in der Empfangshalle stand. Er hatte eine Hand zur Faust geballt und rief: "Yes, yes, yes." Ich gesellte mich zu ihm und wir beglückwünschten uns gegenseitig. "There is nothing to say, is there?" fragte ich Ihn. "No, I am afraid there is not, Amazing is not enough", antwortete er und zitterte, wie ich, am ganzen Körper. Die junge Empfangsdame hinter dem Schalter wurde auf uns aufmerksam und fragte verwundert. "Did you enjoy the flight?"
"Oh my god, absolutely", antwortete ich und Bertrand entgegnete: "The most spectacular thing I have ever seen."
"Have you ever seen it yourself?" fragte ich sie zurück. Ein entschuldigendes und bedauerndes "No, never" holte mich ein wenig auf den Teppich zurück. "But you are working here", warf ich ein. Sie zuckte nur mit den Schultern. Das ist schon etwas unfair. Da kommen die Touristen um die Ecke und ergötzen sich an Naturereignissen, die die Isländer selbst nicht sehen, wohl aber spüren, sollte sich die Lage verschlimmern. Ich ging vor die Tür und beschloss, meine letzte Zigarette zu rauchen. Post-koit... ähh post-eruptional sozusagen. Klar rauche ich, unser Planet raucht ja auch.
Der Rückweg durch die friedliche, kühle und inzwischen dunkle Parkanlage unterhalb des Perlan war notwendig, um weiter runter zu kommen. Ich rief Ulli an und berichtete aufgeregt, da ich gerne solche Ereignisse teile. Plötzlich wurde mir klar, dass ich meine Mädchen entsetzlich vermisste. Hier oben, am kalten Ende Europas fühlte ich mich auf einmal verlassen und weit, weit weg. Jetzt wollte ich nur noch so schnell wie möglich wieder heim. Ich beschloss, im Laug die totale Entspannung zu erzwingen und gedachte, mich bis an den Anschlag durchzuweichen. Ich schwamm 1,5 Stunden lang Bahnen, rutschte Kirschkernröhre und verbrachte eine weitere Stunde in dem 42°C heißen Hot-Pot. Am Ende schloss ich mit drei Dampfbadgängen ab. Der letzte bescherte mir gehörig Nasenbluten. Dieses Mal gab es auch keine Versäumnisse mehr beim Abtrocknen und der Bademeister, der mich natürlich kritisch beobachtete, gab mir "Thumbs up", als ich ultratrocken den Duschraum verließ.
Völlig dehydriert schluckte ich eine Riesenmenge Wasser und knallte dann waagrecht auf die Matratze.

5.11.2014

Leider ergatterte ich trotz der totalen Erschöpfung nur eine einzige Stunde Schlaf, was zumindest das Aufstehen um 4 Uhr erleichterte. Mein Kopf war einfach zu voll für eine anständige Nachtruhe. Ich hatte mich auf die Liste, die in jeder Unterkunft in Reykjavik ausliegt, für den Bus-Service angemeldet, und der Busfahrer erschien pünktlich um 4:30 Uhr, um mich aufzunehmen. Das erspart das Umsteigen, das Taxi oder einen langen Fußmarsch. Unter dem Strich ist dies ein geniales und praktisches System. Das Check-in in Keflavik verlief flott und problemlos. Sämtliche Isländer nutzten nur noch ihre Smartphones mit Strichcode als Boarding-Karte. Ich war der einzige, der sich am Self-Check-In Terminal so einen steinzeitlichen Papierzettel hatte ausdrucken lassen. Die Maschine nach Frankfurt war maximal halbvoll und obwohl ich eine ganze Sitzreihe zur Verfügung hatte, konnte ich nicht pennen. Völlig geschafft schloss mich Ulli gute drei Stunden später in die Arme. Wieder war ein sehr intensiver Islandurlaub zu Ende.

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